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Kantonsgericht Basel-Landschaft, Liestal
Hochbauamt Basel-Landschaft   Umbau und Erweiterung Kantonsgericht Liestal   Projektwettbewerb 2019   3. Rundgang   Ave Merki Architekten

Ausgangslage

 

Das Gerichtsgebäude des Kantons Basel-Landschaft am Bahnhofplatz in Liestal vermag die betrieblichen Bedürfnisse und Anforderungen an einen zeitgemässen Gerichtsbetrieb nicht mehr erfüllen.

Die Kapazitätsgrenze ist zudem erreicht und das angebaute Provisorium soll durch ein wesentlich grösseres Volumen auf der Nordseite ersetzt sowie der Bestand umfassend erneuert werden.

 

 

Bestehendes Gebäude

 

Das Gebäude wurde 1854 als Schulhaus für die Stadt Liestal auf dem noch unüberbauten Hügel errichtet. Die damalige Hauptfassade ist mit zwei markanten Seitenflügeln und darüberliegenden Dreiecksgiebeln zum „Stedtli“ orientiert. Nach mehreren An- und Aufbauten wurde das Haus für das Gericht umgenutzt und der Haupteingang auf die Seite zum neu entstandenen Bahnhofsplatz verlegt. Der Bau ist im Inventar Schützenswerter Ortsbilder der Schweiz (ISOS) eingetragen und kommunal geschützt. Er besitzt für die Denkmalpflege eine hohe Existenzberechtigung und ist mit seiner beachtlichen architektonischen Qualität ein wichtiger Zeitzeuge. Gegenüber dem Bahnhofplatz soll die repräsentative Wirkung des Gerichtsgebäudes von 1919 wiederhergestellt werden.

 

 

Städtebau

 

Durch seine exponierte topografische Lage gegenüber der historischen Altstadt kommt dem bestehenden Bau eine besondere städtebauliche Stellung zu. Inmitten eines momentan grossen Transformationsprozesses befindlichen Bahnhofareals bildet er ein eigenständiges Ensemble mit dem auf dem Bahnhofplatz vis-à-vis liegenden im Neurenaissance-Stil ausformulierten Kulturhaus Palazzo, dem ehem. Postgebäude.

Insbesondere das nördlich an den Perimeter angrenzende Richtprojekt mit einer dichten dreizeiligen Bebauung, deren mittlere Zeile in einem Hochpunkt gegenüber dem Gerichtsgebäude endet, wird den Hang zwischen dem Bahnhof und der Altstadt Liestal zukünftig stark verändern. 

 

Mit der Wiederherstellung des Zustands von 1919, sowohl im Volumen zum Bahnhofsplatz hin wie auch mit der Fassaden- und Fensterzierden insgesamt, erlangt der historische Bau seine ursprünglichen repräsentativen Qualitäten zurück.

 

Für die erforderliche Erweiterung an der heutigen Rückseite des Gerichtsgebäudes wird ein Volumen in Form eines Ovals gewählt, welches minimal mit dem Bestand verbunden ist. Durch das Loslösen des Neubaus bleibt das Gebäude mit den zwei markanten seitlichen Risaliten und Dreiecksgiebeln unangetastet und der Baukörper mit dem typischen Walmdach entfaltet sich weiterhin als ablesbares eigenständiges Objekt.Das Oval schafft sowohl zum Altbau wie auch zu den umliegenden bestehenden und projektierten Gebäuden weiche Übergänge mit wohltuenden Aussenräumen.

Die Form hebt sich von den umliegenden städtebaulichen Mustern ab und verhilft dem Ensemble zu einer starken Identität. Sie wird der besonderen Bedeutung als öffentliche Institution gerecht.

Ein gemeinsamer Sockel für Alt- und Neubau definiert einen klaren Abschluss zur Hangkante und ermöglicht die unabhängig davon geplante Aussenraumgestaltung mit dem Gerichtsplatz der Überbauung Lüdin-Areal. Dieses architektonische Element stellt einen Bezug her zum Sockel des prägnanten Regierungsgebäudes auf der gegenüberliegenden Seite des Orisbaches als weiteren öffentlichen Bau.

 

 

 

Erschliessung / Nutzung

 

Die klare Adressbildung am Bahnhofsplatz wird beibehalten und der Altbau behält seine Bedeutung.

Der Haupteingang für die Besucher erfolgt zentral über den gedeckten Vorplatz und führt diese direkt in den Empfangs- und Wartebereich. Über die bestehenden Erschliessungskerne in den Seitenflügeln gelangt das Personal zu den internen, geschützten Bereichen mit der Gerichtsverwaltung im Erdgeschoss und dem Kantonsgericht in den Obergeschossen.

Die gemeinsam genutzten Räume wie Aufenthalt / Cafeteria, Sitzungszimmer und Bibliothek sind zum belebten Bahnhofsplatz orientiert, während die Büros des Kantonsgerichts im rückwärtigen Teil des Altbaus und in der Erweiterung angeordnet sind.

Der Zugang zu den vier Abteilungen erfolgt separat von den Treppenhäusern. Auf dem Weg zu den Büros liegt das funktionale Herzstück mit den jeweiligen Postfächern und der Kanzlei.

 

Im Neubau orientieren sich die Büros zu den ruhigen Aussenräumen und ermöglichen ideale Vorraussetzungen für das erforderliche hochkonzentrierte Arbeiten.

 

Die Gangzone mit Lichtraum gibt die äussere ovale Form wieder und bildet durch die Ausweitung räumlich spannende Aufenthalts- und Begegnungszonen mit übersichtlicher Orientierung.  Das statische System ist unabhängig von der Raumstruktur ausgebildet und lässt eine unterschiedliche strukturelle Aufteilung der Abteilungen und Bürogrössen zu. 

Im Neubau gibt es zudem Nebeneingange von der Bahnhofsstrasse für die Zuführung, Opferbefragung und Mitarbeiter sowie ein Zugang für Velofahrende am Gerichtsplatz. 

 

 

Gerichtssäle

 

Auf dem Weg zu den Gerichtssälen im Neubau durchschreitet der Besucher einen verglasten Verbindungsgang zwischen Bestand und Erweiterung. In diesem Zwischenraum erlebt er die räumliche Disposition der unterschiedlich gestalteten Gebäude und hilft ihm zudem bei der Orientierung.

Eine entlang der ovalen Fassade verlaufende Gangschicht umschliesst die mittig im Baukörper liegenden formkohärenten Gerichtssäle. Sie reduziert die Einsehbarkeit und verleiht den Verhandlungsräumen eine, einem Futteral ähnlich, intime Atmosphäre. 

 

Durch ihre Lage erhalten die Säle Tageslicht von beiden Seiten durch Oberlichtbänder aus der vollverglasten Gangzone. Als funktionale Einheit mit den beiden Gerichtssälen ist der Konferenzraum dazwischen angeordnet und erhält Tageslicht über die Rückwand und zusätzlich über ein zentrales Oblicht.

 

 

Fassade

 

Der ringsherum verglaste Neubau mit vorgehängter Schicht aus horizontalen und vertikalen Elementen bildet einerseits einen Kontrast zur muralen Fassade des Altbaus, andererseits gleicht sich der Neubau durch die Wahl des steinernen Materials und seiner Farbigkeit dem Bestand an. 

Die Lamellen rhythmisieren die Fassade und erzeugen in Zusammenhang mit der gebogenen Form ein abwechslungsreiches Licht- und Schattenspiel. Je nach Standpunkt des Betrachters öffnet und schliesst sich der Körper unterschiedlich.

Durch die dichtere Anordnung der Lamellen im Erd- gegenüber den Obergeschossen führt der Neubau auf subtiler Weise die Fassadengliederung des klassizistischen Palastbaus weiter. Der engere Abstand der Lamellen im Erdgeschoss korrespondiert mit den wiederhergestellten Streifenrustika des Sockel beim historischen Gebäude und vermindert zudem die Einsicht in den Umgang mit den dahinterliegenden Gerichtssälen. 

 

In ihrer Dualität stehen sich die Gebäude ergänzend gegenüber und bilden ein Ensemble aus Alt und Neu.